Marc Behrens
GGAAFFISEC – Klanginstallation in der Weißfrauen Diakoniekirche
Frankfurt am Main, 30.05.2009 bis 21.06.2009
Im Herbst 2008 trafen Gerald Hintze und ich uns zu einem Gespräch in der Weißfrauen Diakoniekirche. Aus diesem Gespräch heraus entstand die Klanginstallation GGAAFFISEC.
Als erstes waren mir die großen Heizkörper in der Kirche aufgefallen, und ich dachte gleich daran, Wärme oder eine andere Form von Energie zu thematisieren. Gerald schenkte mir ein Exemplar des damals gerade neu gedruckten Evangelischen Gesangbuches. Für einen drei Wochen lang gehaltenen Orgelakkord, der die Energie des Kircheninnenraumes klanglich strukturieren und verstärken sollte, benutzte ich dieses Gesangbuch.
Aus den Melodienoten der Kirchenlieder zur Pfingstzeit (Nr. 124–137) ermittelte ich die acht am häufigsten vorkommenden Töne. Diese Noten erklangen dann, auf den Grundriß verteilt, als acht stehende Töne, zwei davon aufgrund ihrer Häufigkeit gedoppelt. Ich wollte die statistisch mögliche Antiphonie, die erhoffte spirituelle Energie, deren architektonische Entsprechung mir zuallererst in den Heizkörpern erschien, und nicht im Altar oder in den Glasfenstern des Gebäudes, durch den Akkord hörbar machen. Als Klangerzeuger platzierte ich genau auf den Heizkörpern acht kleine Plastikkeyboards. Diese Keyboards entstammen einer Frankfurter Gesamtschule, aus deren Musikunterricht sie ausrangiert worden waren. Die Tasten waren von den Schulkindern teilweise mit den Buchstaben der Töne beschriftet worden. Diese unregelmäßige Beschriftung, Manifestation vergangener Interaktion zwischen Menschen, stellte sogar noch besser den Zusammenhang zu einer abwesenden Gemeinde her. Solche Keyboards sah ich vor vielen Jahren bei meinen ersten Aufenthalten in Frankfurt in Schaufenstern im Bahnhofsviertel, 1991 kaufte ich dort sogar eines, was mir dann später abhanden kam.
Die direkt am Lautsprecher doch eher scheppernde, kratzige “Church Organ”-Einstellung der Keyboards erzeugte einen verblüffend schönen Klang, der genau an der Schwelle zwischen Meditation und alarmierter Hypnose wahrgenommen werden konnte. Die synthetischen Töne sind regelmäßig, gleichbleibend in Lautstärke und Timbre, sobald man aber den Kopf drehte, erfüllte sich der stehende Akkord mit mehreren mikrotonalen Verschiebungen – durch die Distanz der Klangquellen untereinander und deren Position im Raum. Der parabelförmige Grundriß des Kirchenschiffes verstärkte diese Effekte durch akustische Reflexionen und Bündelungen, so dass man beim Herumwandeln im Raum an bestimmten Stellen sogar abrupte Übergänge hören konnte.
GGAAFFISEC realisierte ich im Austausch mit Gerald Hintze, von seiner Offenheit und seinem Enthusiasmus inspiriert. Die Installation wurde in reduzierter Form noch einmal gezeigt – Ende 2012 in der Gruppenausstellung “God Factor” im Kloster von Tibães in Portugal.
Marc Behrens, im April 2016